Warum eigentlich «Glockenhof»?

Seit 112 Jahren gibt es die Gloggi-Pfadi. Aber warum heissen sie eigentlich so? Der Name «Glockenhof» geht auf eine Glocken­giesserei zurück. Sie wurde 1490 von der Zürcher Glockengiesser­familie Füssli eingerichtet, dort wo heute das Hotel und das Zentrum Glockenhof stehen. Die Füsslis hatten schon vorher am Rennweg Glocken und Haushaltgeräte gegossen

Bildquellen: Schweizerisches Nationalmuseum: Die grosse Glocke von Knonau (Jahresbericht 1923), Schweizerisches Nationalmuseum: Von der Spanischen Suppe zum Potpourri (Blogbeitrag 2018, mit freundlicher Genehmigung), Die Schweiz, schweizerische Illustrierte Zeitsschrift 1898 .

Die Glocken wurden weitherum für ihre gute Qualität und ihren schönen Ton geschätzt. Ebenso bekannt waren die Suppentöpfe (Mitte). In ihnen köchelte am Sonntag, wenn alle in der Kirche waren, der Eintopf fürs Mittagessen schön lange vor sich hin. Sehr gut verkauft wurden auch Geschütze, im Bild die grösste gegossene Kanone «Mercurius», die lange im Hof des Landesmuseums stand.

An den Korpsbesammlungen im Hof des Landesmuseums haben sich Generationen von Gloggi-Pfadi also vor Kanonen aus der Giesserei im Glockenhof getroffen.

Die Gebäude der Giesserei mit den qualmenden Kaminen wurden später so dargestellt (e-rara).

Auf Youtube sind verschiedene Filme vorhanden, die zeigen, wie heute grosse Glocken gegossen werden, z.B. https://www.youtube.com/watch?v=qxXcinzvO8E

Das Giessen brauchte sehr viel Holz und dafür war die Lage des Glockenhofs ideal. Die Holzstämme aus dem Sihlwald wurden auf Sihl und Sihlkanal bis fast vor die Giesserei geflösst. Auf diesem Auschnitt aus der Meriankarte von 1642 (e-rara) sieht man gut, wo die Holzstämme aus dem Wasser geholt (roter Kreis), und dann in den Glockenhof gebracht wurden (blauer Kreis).

Der Sihlkanal verschwand später aus dem Stadtbild. Auf dem Plan der Stadt Zürich nach Breitinger von 1867 ist er noch gut sichtbar:

Die Sihl diente später als Herausforderung für viele «Pfadiübungen». Hier Wölfe und Pfadi Ende der 1960er-Jahre bei einer Sihlüberquerung. Niemand dachte wohl daran, dass hier einst Baumstämme aus dem Sihlwald vorbei geflösst wurden.

Die Giesshütte brannte 1830 ab. Die Füsslis stellten darauf den Giessereibetrieb ein. Das Gelände mit dem noch bestehenden Wohnhaus, dem «Glockenhaus» kaufte Kaspar Escher, Mitgründer der Firma Escher Wyss. Er vererbte es seiner Tochter Matthilde Escher, die darauf die St.-Anna-Kapelle und ein Heim für körperlich behinderte Kinder bauen liess. (Schon lange vorher hatte eine St.-Anna-Kapelle vor der Stadtmauer, auf der gegenüberliegenden Strassenseite bestanden. Der Name des Warenhauses St. Annahof erinnert noch daran, auch an den gleichnamigen Friedhof, der oben auf Karte und Zeichnung zu sehen ist.)
Das Heim der Matthilde-Escher-Stiftung, das bis heute besteht, brauchte mit der Zeit mehr Platz. Die Stiftung verkaufte deshalb das Glockenhof-Gelände an den CVJM und das Freie Gymnasium. Die St. Anna-Kapelle wurde neu errichtet, Gymnasium (heute Bürogebäude) Hotel und Vereinshaus Glockenhof entstanden 1911 in ihrer heutigen Form:

Und hier gründete der 17 Jahre alte Sekretariatsgehilfe des CVJM, Emil Dändliker 1912 innerhalb der Knabenabteilung eine Pfad­findergruppe. Was lag näher, als sie Glockenhof zu nennen?

Glocken tauchen deshalb in der Gloggi-Geschichte immer wieder auf. Auch im Gloggi-Archiv bewahren wir eine auf. Es ist die Glocke, die der Gloggi (hier der damalige Korpsleiter Riss) 1975 den Manegg-Pfadi zu ihrem 50-Jahr-Jubiläum schenkte.

Die gute Tat

Aus dem Rudelbuch Star, 1937

«6. Mai: Tag der guten Tat» lese ich vor dem Coop. Mir kommt in den Sinn, wie wir in den Wölfen einmal eine «Aktion gute Tat» machten.  Alle führten eine Liste und notierten jeden Tag ihre gute Tat. Wer Ende Quartal die meisten guten Taten notiert hatte, gewann einen Preis. Beim Ausfüllen meiner Liste musste ich manchmal überlegen. War jetzt «Meiner Schwester meine Chäpsli­pistole ausge­liehen» eine gute Tat oder nicht einfach eine Selbstverständlichkeit?

Der Gründer der Pfadibewegung, Bi-Pi (Baden-Powell) hätte sich wohl über meine Überlegungen gefreut. Es ist ihm mit «und jeden Tag eine gute Tat» gelungen, einen Slogan für stetige Hilfsbereitschaft zu schaffen und in der Pfadibewegung zu verankern.

Für die «gute Tat» warb Bi-Pi schon vor der Gründung der Pfadi. Als für seine Erfolge im Burenkrieg bewunderter hoher Offizier der britischen Kolonialarmee hatte er eine Patenschaft für eine Nichtrauchervereinigung eines Knabenchors übernommen. Den jungen Sängern schrieb er 1901:

«Jeder Chorknabe sollte aktiv Gutes tun … Mit „Gutes tun“ meine ich, dass ihr euch nützlich macht und anderen Menschen seien es Freunde oder Fremde kleine Gefälligkeiten erweist … Nehmt euch vor, jeden Tag jemandem eine „gute Tat“ zu erweisen, und ihr werdet euch bald angewöhnen, immer „gute Taten“ zu vollbringen.» (Tim Jeal: Baden Powell, Yale University Press, 2001, S. 363).

Für die Pfadi illustrierte er den Gedanken in seinem «Scouting for Boys» 1907 – aus heutiger Sicht klischeehaft – mit einem sportlichen Knaben, der einem Mädchen beim Anklopfen an eine Tür hilft:

Aus «Scouting for Boys» 1908 (eBook, Projekt Gutenberg)

Die Idee der guten Tat kam in den ersten Versionen des Pfadigesetzes vor und wurde auch im Gloggi aufgenommen:

«Der Pfadfinder ist hilfsbereit, und ist bestrebt, täglich wenigstens eine gute Tat zu vollbringen» lautete damals ein Punkt des Pfadigesetzes.
A Boy Scout’s Necktie

Bi-Pi machte Anregungen, wie diejenige einen Knoten in die Kravatte zu machen, um immer an die gute Tat zu denken. Sein Bild zeigt, wie er sich das vorstellte (Aus «Scouting for Boys» 1908 (eBook, Projekt Gutenberg)

Bi-Pi meinte auch, eine einmal vergessene gute Tat könne am nächsten Tag nachgeholt werden, indem man dann einfach zwei gute Taten tue.

Dass die Idee der guten Tat auch für zweifelhafte Anliegen verwendet werden konnte, zeigt ein Ausschnitt aus der CVJM-Zeitschrift «Die Glocke», die von deutschen Pfadfindern berichtet, die Schundliteratur gesammelt und sie «den Flammen eines Scheiterhaufens» übergeben hätten:

«Die Glocke, Juli 1914»

Im Gloggi-Archiv zeigt sich, wie die Idee der guten Tat durch all die 111 Gloggi-Jahre verfolgt wurde. Bis in die 1950er-Jahre beschenkten Pfadigruppen zum Beispiel an Weihnachten jeweils arme Familien.

Hier zeichnet die Gruppe Leu aus dem Kim 1943, wie sie sich in einer Strasse im Kreis 4 vor eine Wohnungstür schlichen.

Dort legten sie dann Geschenke vor die Tür einer bedürftigen Familie. (Bilder aus dem Gruppenbuch Leu/ Kim)

Das 40-Jahr-Jubiläum der Pfadiabteilung Glockenhof wurde 1952 auch begangen, indem jede Gruppe bei einem Bauern übernachtete und dort eine kleine gute Tat «verrichten musste».

Aus dem Jahresbericht 1951/52

In vielen Programmen und Erinnerungsbüchern liest man vom Engagement für Mit­menschen, Gesell­schaft und Umwelt. Pfadis organisieren Kinderlager oder helfen bei Bergbauern, sie singen in Alters- und Krankenheimen und spielen dort Theater (z.B. hier 1970 die «Aktion Bombach»)

Theater spielen für Alte und Kranke (Aktion Bombach, 1970, aus dem Gruppenbuch «Schwan», Waldmann, Dübendorf)

In vielen Programmen und Erinnerungsbüchern liest man vom Engagement für Mit­menschen, Gesell­schaft und Umwelt. Pfadis organisieren Kinderlager oder helfen bei Bergbauern, sie singen in Alters- und Krankenheimen und spielen dort Theater (z.B. oben 1970 die «Aktion Bombach») Später kommen Wald­putz­aktionen, Natur­schutz- und Entwicklungs­zusam­menarbeits­projekte usw. dazu. Und bald werden wir ja am Tag der guten Tat von neuen guten Taten hören.

Bahren in der Pfadi

Vor 25 Jahren wurde die Archivgruppe gegründet. Wir feierten das Jubiläum mit einem Posten am Gloggi-Tag. Dort erzählte der Gloggi-Geist unter anderem davon, wie die Pfadi früher mit Bahren Verletzte rasend schnell über Stock und Stein transportiert hätten. Die Pfadi bauten am Posten selbst eine Bahre und rannten mit einem «Verletzten» über einen Parcours. Das sah dann nicht genau so aus, wie vor 80 Jahren auf der Allmend Brunau, aber doch so ähnlich:

Gruppenbuch Leopard/ Wiking 1953-1958

Aber wie kamen die Bahren in die Pfadi? Und rannte man mit Verletzten wirklich durch die Gegend? Das muss sie ja ganz schön durchgeschüttelt haben. Gruppenbücher und andere Unterlagen im Gloggi-Archiv geben Auskunft:

Der Gründer der Pfadi, Bi-Pi be­schrieb 1908 in seinem ersten Buch für Pfadi, «Scouting for Boys», dass Pfadi um «allzeit bereit» zu sein, natürlich auch in Erster Hilfe ausgebildet sein müssten. (Text und Bilder der ursprünglichen Ausgabe von 1908 sind im Projekt Gutenberg verfügbar). Er machte gerade ein Beispiel von sich selbst und zeichnete, wie er behandelt worden war, als er sich in Indien die Schulter ausgerenkt hatte. In diesem Buch gab er auch Anleitungen für den Bahrenbau.

Bi-Pis Schulter wird in Indien wieder eingerenkt (aus Scouting for Boys, 1908)

Verwundetentransporte mit Bahren wurden bald so etwas wie ein Markenzeichen der Pfadi. Als der CVJM 1913 Werbung für die Pfadi mach­te, erschien in seiner Zeitschrift «Die Glocke» auch ein Bild von Pfadi, die Verwundete trans­por­tieren (links).

„Die Glocke“, 1913 und Chocolat Tobler, 1928

Pfadi beim Verwun­deten­trans­port sieht man auch auf den Sammel­marken (damals so eine Art Panini-Bilder) der Schoggifabrik Tobler in den 1920er-Jahren (rechts).

Das Fixieren von gebro­chenen Knochen und der Transport von Verletzten bis zur nächsten Strasse wurden regelmässig geübt. Auch bei Wettkämpfen mussten die Gruppen Bahren bauen und «Verwundete» möglichst schnell transportieren.

Dass Bahren manchmal gebraucht wurden, zeigt ein Gruppenbuch der „Hunnen“ von 1932. Bei einem Pfadiskirennen war auch eine Schanze eingebaut worden, neben der zwei Pfadi für den Fall der Fälle mit einer Bahre warteten. Zeichnungen in Gruppenbüchern zeigen, dass sich die Pfadi beim Üben auch gut amüsierten

Skilagerbuch „Hunnen“ 1932/33

Gruppenbuch Voss 1936/37

Meistens brauchte man ja die erworbenen Kenntnisse zum Glück nicht, es waren eher Blasen an den Füssen behandeln

Oder je nachdem musste auch einmal ein blaues Auge behandelt werden. In Gruppenbüchern ist auch von Übelkeit, die in Herbstlagern herrschte und Kranken mit Fieber zu lesen.

Gruppenbuch Voss 1936/37

Irgendwann verselbständigten sich dann die Wettbewerbe, welche Gruppe wohl am besten in Erster Hilfe sei. Man rannte nicht nur mit Bahren um die Wette, sondern liess die «Verwundeten» auch selbst rennen, führte «Samariterstafetten» durch. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in den 1960er-Jahren mit einem eingeschienten Bein und einem fixierten Arm Hindernisläufe absolvierten.

Samariterstafette 1942

Dass die zu Übungswecken auf den Bahren Transportierten manchmal abstiegen, wenn sie zu sehr durchgerüttelt wurden, ist in einem Zugsbuch der Manegg von 1964 beschrieben:

«Schliesslich wurde ich auf eine Bahre gelegt und solange geschüttelt und gerüttelt, bis ich erklärte, dass ich lieber heim laufe, statt getragen zu werden» beschreibt eine Pfadi hier.

Bahrenbau und -transporte wurden lange in den verschiedenen Auflagen der Pfaditechnik beschrieben und in die Hefte für die verschiedenen Prüfungen eingetragen.

Unterdessen ist der Bau von Tragbahren aus der Pfaditechnik verschwunden – und man macht vermutlich auch keine Wettrennen mit Bahren mehr. Aber Spass hat’s gemacht, beides am Gloggi-Tag nochmals aufleben zu lassen.

Der Virus von 1918

«Pfadi dihei», «CoronAufbau mit Masken», abgesagte und dezentralisierte Anlässe: Die Corona-Pandemie zwang 2020 auch zu grossen Veränderungen im Pfadibetrieb. Doch wie war das eigentlich bei der letzten grossen Pandemie, der «spanischen Grippe» 1918? Diese massive Grippewelle, hatte ihren Ursprung nicht in Spanien (dort wurde lediglich offen darüber berichtet) sondern wohl in den USA, in Kansas. Sie forderte weltweit zwischen 27 und 50 Millionen oder noch mehr Todesopfer, mehr als der damals zu Ende gehende 1. Weltkrieg. Die Schweiz hatte 25’000 Grippetote zu beklagen, fast jede zweite Person in der Schweiz erkrankte an dieser Grippe, hart traf es vor allem 20- bis 40-jährige.

Die erste Welle im Frühsommer 1918 hatte einige Einschränkungen für die Pfadi in Zürich zur Folge, Grossanlässe wie die «Pfadfinder-Lands­gemeinde» wurden verschoben, «Social Distancing» galt schon damals als wirksam.

Bericht der NZZ über die vom Juli auf den September verschobene schweizerische „Pfadfinder-Landsgemeinde“ in Regensdorf

Eine Grippeimpfung existierte nicht, lindernde Medikamente gab es kaum, entsprechend wurde viel Merkwürdiges angeboten wie dieser Heim­schwitzapparat:

Inserat in der Schweizerischen Lehrerzeitung, 1918

Zum Teil wurde auch Rauchen und Alkohol empfohlen, um der Grippe den Garaus zu machen oder Gurgelmittel.

Inserat in der Schweizerischen Lehrerzeitung, 1918

Im Oktober und November, gleichzeitig mit dem Landesstreik und der Angst vor einer Revolution, die eine Truppenstationierung in Zürich zur Folge hatte, explodierte die Zahl der Erkrankungen förmlich. Der Bericht des Stadtrates von damals zeigt, dass allein in der Stadt fast 40’000 Personen erkrankten:

Geschäftsbericht des Stadtrates 1919 (Stadtarchiv)

In dieser Situation wurden die Schulen geschlossen, viele Schulhäuser und z.B. auch die Tonhalle wurden zu Notspitälern umfunktioniert. Das damalige Protokollbuch des «Feldmeister­konventes» des Gloggi ist in unserem Archiv erhalten. Aus den Absenzenlisten ist ersichtlich, dass auch viele Führer, wie man damals sagte, wegen Grippe abwesend waren. Der Pfadibetrieb (hier der Oberpfadi-Kurs O’Pf.) wurde aber weitergeführt und andererseits hatten viele Pfadi «Hilfsdienst» zu leisten. Sie wurden von der Frauenzentrale und der Pflegerinnenschule, die die Arbeiten koordinierten, eingesetzt.

Auszug Protokoll Feldmeisterkonvent 15. Okt. 1918

Der damals 16-jährigen Pfadi Eduard Seiler (er war wohl nicht im Gloggi) hat damals ein Tagebuch geschrieben, das 2008 und 2009 auszugsweise veröffentlicht wurde. Hier der 2008 erschienende Beitrag aus dem Tages-Anzeiger:

Die zweite Veröffentlichung findet sich in einem Buch über das „Soldatenleben im 1. Weltkrieg“: Otto Wicki/ Anton Kaufmann/ Erwin Dahinden: Oh wär ich doch ein Schweizer, Schüpfheim 2019.

Aus diesem Tagebuch wissen wir, dass diese Hilfsdienste sehr hart waren: Eduard Seiler berichtet, wie die Pfadi einerseits eingesetzt wurden, um Betten und andere Utensilien wie Spucknäpfe und Urinflaschen mit Velos und Anhängern in die Lazarette zu transportieren und dort aufzustellen. Sie wurden auch für Botengänge eingesetzt, wenn Patienten z.B. dringen Sauerstoff brauchten. Er berichtet von einem Soldaten, der grässliche Atemnot hatte: «Oft mussten wir in die Apotheken springen um schnell wieder eine neue Sauerstoffbombe für den langsam erstickenden Aregger zu holen. Etwas so Entsetzliches habe ich nie gesehen.» Eduard Seiler beschreibt das Sterben des Soldaten, er schreibt auch von berührenden Besuchen von Angehörigen, die ihre Lieben bis in den Tod pflegten.

Dass die Patienten nicht isoliert werden konnten, zeigt dieses Bild aus der Tonhalle, die in ein Lazarett umgewandelt worden war:

Bild: Archiv Schweizer Verband Volksdienst – Soldatenwohl

Den Landesstreik und das Truppenaufgebot schildert Eduard Seiler ebenfalls und versucht sich einen Reim daraus zu machen: «Heute trugen alle Stahlhelme, wahrscheinlich erwartete man Strassenkämpfe. Die Regierung musste wichtige Dokumente über das Wühlen der Bolschewiki in den Händen haben, dass sie sich zu solch einem grossen Aufgebot entschloss. Die ganze Stadt war voll mit Militär und besonders viele Maschinengewehre wurden bereitgestellt. Gestern zogen Tausende vor die Kaserne und forderten den Militärminister Regierungsrat Wettstein heraus».

Der Rationierungsbrunnen an der Trottenstrasse in Zürich erinnert an die damalige Teuerung, die den Streik mit auslöste. 1914 erhielt man für einen Franken z.B. 20 Kilo Kohle, 1918 dann nur noch 3 ½ Kilo.

(Bild W. Gallas, Baugeschichtliches Archiv Zürich)

Der Landesstreik hat keine Spuren im Gloggi-Archiv hinterlassen. Im Protokollbuch ist aber festgehalten, wo überall Gloggi-Pfadi eingesetzt wurden:

Auszug Protokoll Feldmeisterkonvent vom 19. Nov. 1918

Das von der Frauenzentrale geführtes Notspital im Schulhaus Münchhalden galt als eigentliches Vorzeigenotspital, es wird in Berichten immer wieder erwähnt, vermutlich weil das nun umgenutzte Schulhaus noch sehr neu war. Man sieht es auf dem Luftbild von Mittelholzer (1920) unten rechts, gerade darunter den Tunnel zwischen Tiefenbrunnen und Stadelhofen.

Vorne rechts Schulhaus Münchhalde und Eisenbahntunnel (Bild Mittelholzer, ETH e-pics)

Auch ausserhalb der Notspitäler war man mit der Arbeit der Pfadi zufrieden. Die Frauenzentrale schreibt in ihrem Jahresbericht von einer sehr grossen Arbeit:

Aus dem Jahresbericht der Zürcher Frauenzentrale 1918/19

Das Engagement der Zürcher Pfadfinder wurde auch von der Presse gewürdigt, auf dem Bild der Helferinnen und Helfer im Tonhalle-Lazarett, das damals in der Schweizer Illustrierten erschien, sind die Pfadi im Vordergrund deutlich sichtbar:

Bild aus der Schweizer Illustrierten 1918 (abgebildet in Wicki 2009)

Für die Pfadi von damals war ihr «Hilfsdienst» während der Pandemie von 1918 ein prägendes Erlebnis, viele haben sich das ganze Leben daran erinnert. Eduard Seiler ist später Arzt geworden.