Am Gloggenair konnte man bei der Archivgruppe eine kurze Nachricht nur mit den Armen, also per «Semaphor» weitergeben. Jede Armstellung bedeutet einen Buchstaben. Was für fast alle neu war, war früher für die Wölfe eine Selbstverständlichkeit.
16 Buchstaben in der Minute konnte ein Wolf in den 1940er-Jahren «semaphörlen». Man war (wie hier 1942 im GP) stolz darauf, etwas zu können, das sonst nur noch die Matrosen konnten:
Auch die Pfadis brauchten Semaphor für kurze Distanzen:
Im GP wurde in den 1940er-Jahren empfohlen, sofort nach dem Aufstehen im kalten Schlafzimmer sämtliche Semaphor-Zeichen vor dem Spiegel zu üben, dann habe man mit Sicherheit wieder warm.
Im Alltag war das Telefon natürlich schneller. Weil bis in die 1950er-Jahre aber lange nicht alle eine Telefon hatten, wurden Nachrichten, wann man sich treffe als «Alarm» weitergegeben:
Wer kein Telefon hatte, wurde zu Fuss, per Trotinett oder Velo informiert. Vom Telefon im nahen Restaurant meldete man dann, dass man die Nachricht erhalten habe.
An ihren Anlässen hatten die Pfadi aber den den Ehrgeiz, Nachrichten über möglichst grosse Distanzen weiterzugeben.
Am Tag konnte man sich mit solchen Winkerscheiben und dem Morsealphabet (-> Pfadiwiki) kilometerweit verständigen. Das hatte aber natürlich den Nachteil, dass alle, die morsen konnten, die Nachricht ebenfalls lesen konnten.
Deshalb chiffrierte man wenn nötig die Meldungen. Hier ein Beispiel aus dem GP 1937: Jeder Buchstabe wurde durch zwei andere ausgedrückt. Statt p wurde GH gemorst. Pfadi hiess dann
GH/QB/AB/KB/GE
So hatte jede Gruppe ihren eigenen geheimen Code. Wer ihn nicht kannte, hatte keine Chance, die Nachricht zu verstehen.
Das Übermitteln brachte so manchmal viel Wartezeiten mit sich, weil man die Meldung zuerst entschlüsseln musste.
Einige Stämme besassen sogar Heliographen, eine Art abdeckbare Spiegel, mit denen man bei Sonnenlicht sehr weit morsen konnte.
In der Nacht morste man mit Taschenlampen, Laternen oder sogar Blinkapparaten, die mit einem Dynamo angetrieben wurden. Sie waren zwar sehr schwer, aber es war ein gutes Gefühl vom Uetliberg auf den Pfannenstil zu blinken und sich zu verstehen.
Ab etwa 1960 liest man dann in GP und Gruppenbüchern weniger von solchen Methoden, Nachrichten weiterzugeben. Anderes rückte in den Vordergrund. Man morste mit Tastern, funkte, machte Radiosendungen und schliesslich begann das Internet, eine wichtige Funktion zu übernehmen.
1939 ist der Heimverein für das Pfadfinderheim Wallisellen-Dübendorf im Besitz des Landes auf dem Tambel, eine weitere Projektskizze für das Heim entsteht (Bildquelle: ETH-epics)
Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges lässt aber nicht mehr an Finanzierung und Bau denken. Um die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen, wird die Ackerfläche überall in der Schweiz erweitert, ab 1941 spricht man von «Anbauschlacht» und der Olymp beteiligt sich daran. Die Presse berichtet lobend:
Anfangs läuft noch nicht alles nach Plan (wie auf vielen anderen neuen Anbauflächen auch nicht), so dass der Gemeinderat eine Rüge «wegen mangelhafter Wartung des Ackers» erteilt. Heimverein und Abteilung lassen das aber nicht einfach auf sich sitzen und schreiben einen Brief zurück:
Eine Lösung wird gefunden, in dem man dem Familiengartenverein beitritt und so etwas Beratung erhält. Schon im Folgejahr findet sich in den Abteilungsakten der Vermerk, dass die Kartoffeln «à la merveille» gedeihen. (Die Abkürzung ABS bedeutet «Anbauschlacht»)
1941 und 1942 werden Kartoffen angebaut, 1943 Mais und 1944 Mohn. Das Öl kann «punktefrei», d.h. ohne dass Punkte von Lebensmittelkarten benötigt werden, an die Eltern verkauft werden.
Aus dem Verkaufserlös wird der Heimfonds weiter gespiesen, der APV muss keine Unkosten übernehmen.
«6. Mai: Tag der guten Tat» lese ich vor dem Coop. Mir kommt in den Sinn, wie wir in den Wölfen einmal eine «Aktion gute Tat» machten. Alle führten eine Liste und notierten jeden Tag ihre gute Tat. Wer Ende Quartal die meisten guten Taten notiert hatte, gewann einen Preis. Beim Ausfüllen meiner Liste musste ich manchmal überlegen. War jetzt «Meiner Schwester meine Chäpslipistole ausgeliehen» eine gute Tat oder nicht einfach eine Selbstverständlichkeit?
Der Gründer der Pfadibewegung, Bi-Pi (Baden-Powell) hätte sich wohl über meine Überlegungen gefreut. Es ist ihm mit «und jeden Tag eine gute Tat» gelungen, einen Slogan für stetige Hilfsbereitschaft zu schaffen und in der Pfadibewegung zu verankern.
Für die «gute Tat» warb Bi-Pi schon vor der Gründung der Pfadi. Als für seine Erfolge im Burenkrieg bewunderter hoher Offizier der britischen Kolonialarmee hatte er eine Patenschaft für eine Nichtrauchervereinigung eines Knabenchors übernommen. Den jungen Sängern schrieb er 1901:
«Jeder Chorknabe sollte aktiv Gutes tun … Mit „Gutes tun“ meine ich, dass ihr euch nützlich macht und anderen Menschen – seien es Freunde oder Fremde – kleine Gefälligkeiten erweist … Nehmt euch vor, jeden Tag jemandem eine „gute Tat“ zu erweisen, und ihr werdet euch bald angewöhnen, immer „gute Taten“ zu vollbringen.» (Tim Jeal: Baden Powell, Yale University Press, 2001, S. 363).
Für die Pfadi illustrierte er den Gedanken in seinem «Scouting for Boys» 1907 – aus heutiger Sicht klischeehaft – mit einem sportlichen Knaben, der einem Mädchen beim Anklopfen an eine Tür hilft:
Die Idee der guten Tat kam in den ersten Versionen des Pfadigesetzes vor und wurde auch im Gloggi aufgenommen:
Bi-Pi machte Anregungen, wie diejenige einen Knoten in die Kravatte zu machen, um immer an die gute Tat zu denken. Sein Bild zeigt, wie er sich das vorstellte (Aus «Scouting for Boys» 1908 (eBook, Projekt Gutenberg)
Bi-Pi meinte auch, eine einmal vergessene gute Tat könne am nächsten Tag nachgeholt werden, indem man dann einfach zwei gute Taten tue.
Dass die Idee der guten Tat auch für zweifelhafte Anliegen verwendet werden konnte, zeigt ein Ausschnitt aus der CVJM-Zeitschrift «Die Glocke», die von deutschen Pfadfindern berichtet, die Schundliteratur gesammelt und sie «den Flammen eines Scheiterhaufens» übergeben hätten:
Im Gloggi-Archiv zeigt sich, wie die Idee der guten Tat durch all die 111 Gloggi-Jahre verfolgt wurde. Bis in die 1950er-Jahre beschenkten Pfadigruppen zum Beispiel an Weihnachten jeweils arme Familien.
Hier zeichnet die Gruppe Leu aus dem Kim 1943, wie sie sich in einer Strasse im Kreis 4 vor eine Wohnungstür schlichen.
Dort legten sie dann Geschenke vor die Tür einer bedürftigen Familie. (Bilder aus dem Gruppenbuch Leu/ Kim)
Das 40-Jahr-Jubiläum der Pfadiabteilung Glockenhof wurde 1952 auch begangen, indem jede Gruppe bei einem Bauern übernachtete und dort eine kleine gute Tat «verrichten musste».
In vielen Programmen und Erinnerungsbüchern liest man vom Engagement für Mitmenschen, Gesellschaft und Umwelt. Pfadis organisieren Kinderlager oder helfen bei Bergbauern, sie singen in Alters- und Krankenheimen und spielen dort Theater (z.B. hier 1970 die «Aktion Bombach»)
In vielen Programmen und Erinnerungsbüchern liest man vom Engagement für Mitmenschen, Gesellschaft und Umwelt. Pfadis organisieren Kinderlager oder helfen bei Bergbauern, sie singen in Alters- und Krankenheimen und spielen dort Theater (z.B. oben 1970 die «Aktion Bombach») Später kommen Waldputzaktionen, Naturschutz- und Entwicklungszusammenarbeitsprojekte usw. dazu. Und bald werden wir ja am Tag der guten Tat von neuen guten Taten hören.
Vor 25 Jahren wurde die Archivgruppe gegründet. Wir feierten das Jubiläum mit einem Posten am Gloggi-Tag. Dort erzählte der Gloggi-Geist unter anderem davon, wie die Pfadi früher mit Bahren Verletzte rasend schnell über Stock und Stein transportiert hätten. Die Pfadi bauten am Posten selbst eine Bahre und rannten mit einem «Verletzten» über einen Parcours. Das sah dann nicht genau so aus, wie vor 80 Jahren auf der Allmend Brunau, aber doch so ähnlich:
Gruppenbuch Leopard/ Wiking 1953-1958
Aber wie kamen die Bahren in die Pfadi? Und rannte man mit Verletzten wirklich durch die Gegend? Das muss sie ja ganz schön durchgeschüttelt haben. Gruppenbücher und andere Unterlagen im Gloggi-Archiv geben Auskunft:
Der Gründer der Pfadi, Bi-Pi beschrieb 1908 in seinem ersten Buch für Pfadi, «Scouting for Boys», dass Pfadi um «allzeit bereit» zu sein, natürlich auch in Erster Hilfe ausgebildet sein müssten. (Text und Bilder der ursprünglichen Ausgabe von 1908 sind im Projekt Gutenberg verfügbar). Er machte gerade ein Beispiel von sich selbst und zeichnete, wie er behandelt worden war, als er sich in Indien die Schulter ausgerenkt hatte. In diesem Buch gab er auch Anleitungen für den Bahrenbau.
Bi-Pis Schulter wird in Indien wieder eingerenkt (aus Scouting for Boys, 1908)
Verwundetentransporte mit Bahren wurden bald so etwas wie ein Markenzeichen der Pfadi. Als der CVJM 1913 Werbung für die Pfadi machte, erschien in seiner Zeitschrift «Die Glocke» auch ein Bild von Pfadi, die Verwundete transportieren (links).
„Die Glocke“, 1913 und Chocolat Tobler, 1928
Pfadi beim Verwundetentransport sieht man auch auf den Sammelmarken (damals so eine Art Panini-Bilder) der Schoggifabrik Tobler in den 1920er-Jahren (rechts).
Das Fixieren von gebrochenen Knochen und der Transport von Verletzten bis zur nächsten Strasse wurden regelmässig geübt. Auch bei Wettkämpfen mussten die Gruppen Bahren bauen und «Verwundete» möglichst schnell transportieren.
Dass Bahren manchmal gebraucht wurden, zeigt ein Gruppenbuch der „Hunnen“ von 1932. Bei einem Pfadiskirennen war auch eine Schanze eingebaut worden, neben der zwei Pfadi für den Fall der Fälle mit einer Bahre warteten. Zeichnungen in Gruppenbüchern zeigen, dass sich die Pfadi beim Üben auch gut amüsierten
Skilagerbuch „Hunnen“ 1932/33
Gruppenbuch Voss 1936/37
Meistens brauchte man ja die erworbenen Kenntnisse zum Glück nicht, es waren eher Blasen an den Füssen behandeln
Oder je nachdem musste auch einmal ein blaues Auge behandelt werden. In Gruppenbüchern ist auch von Übelkeit, die in Herbstlagern herrschte und Kranken mit Fieber zu lesen.
Gruppenbuch Voss 1936/37
Irgendwann verselbständigten sich dann die Wettbewerbe, welche Gruppe wohl am besten in Erster Hilfe sei. Man rannte nicht nur mit Bahren um die Wette, sondern liess die «Verwundeten» auch selbst rennen, führte «Samariterstafetten» durch. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in den 1960er-Jahren mit einem eingeschienten Bein und einem fixierten Arm Hindernisläufe absolvierten.
Samariterstafette 1942
Dass die zu Übungswecken auf den Bahren Transportierten manchmal abstiegen, wenn sie zu sehr durchgerüttelt wurden, ist in einem Zugsbuch der Manegg von 1964 beschrieben:
«Schliesslich wurde ich auf eine Bahre gelegt und solange geschüttelt und gerüttelt, bis ich erklärte, dass ich lieber heim laufe, statt getragen zu werden» beschreibt eine Pfadi hier.
Bahrenbau und -transporte wurden lange in den verschiedenen Auflagen der Pfaditechnik beschrieben und in die Hefte für die verschiedenen Prüfungen eingetragen.
Unterdessen ist der Bau von Tragbahren aus der Pfaditechnik verschwunden – und man macht vermutlich auch keine Wettrennen mit Bahren mehr. Aber Spass hat’s gemacht, beides am Gloggi-Tag nochmals aufleben zu lassen.
Die Abteilungen spielen heute im Gloggi eine wichtige Rolle. Man gehört zum Hadlaub, zum Gryfensee, zur Lägern und wie sie alle heissen. Wie und wann sind sie eigentlich entstanden und wie kamen sie zu ihren Namen?
Bis 1941, als der Gloggi ziemlich stark am Wachsen war, war man einfach Mitglied im Gloggi, der «Pfadfinderabteilung Glockenhof» und in einem «Pfadizug», der «Wolfsmeute» oder dem «Roverbanner».
1941, der Gloggi zählte damals 800 Mitglieder, wurde dann eine Umorganisation vorgenommen, die Pfadizüge wurden auf vier «Stämme» aufgeteilt, den Vorgängern der heutigen Abteilungen: Auf dem GP-Titelblatt von 1947 sind in der Windrose die Stämme (mit den römischen Zahlen) abgebildet, dazwischen die 1946 gegründeten PTA, der APV, das Roverbanner und die Wolfsmeute.
Die PTA («Pfadi trotz allem») sind heute eine eigene Gloggi-Abteilung. Ihre Anfänge im Balgrist wurden im GP 1947 folgendermassen geschildert:
Aus den vier Stämmen wurden 1950 fünf, die Züge Olymp und Dübelstein aus Wallisellen und Dübendorf bildeten nun den fünften Stamm.
1953 erhielten die Stämme Namen:
Hadlaub und Gryfensee tragen also ihre Namen seit 1953. Johannes Hadlaub und der Landvogt von Greifensee, die Namensgeber kommen in Gottfried Kellers Zürcher Novellen vor, auch die anderen Namen stammen aus Werken von Gottfried Keller oder Conrad Ferdinand Meyer. Wichtig war damals, Namen zu finden mit einem Bezug zu Zürich, deren Träger Vorbildcharakter hatten. Im GP wurden damals auch Ausschnitte aus Werken von Keller und Meyer abgedruckt. Wenn man sie heute so liest, denkt man eher, nimmt man eigentlich nicht an, dass sie zur Identifikation mit den neuen Namen beitrugen…
Unterdessen waren 1958, angeregt von einem Pfadi, der auf einer Seemannsschule in England gewesen war, die «Seepfadfinder» gegründet worden, ihr Zug «Odysseus» war nicht Teil eines Stammes.
Rechts das erste Titelbild der Seepfadi-Zeitschrift «Akto».
1959 wurde das Gloggi-Abzeichen eingeführt, Tatokano, von Beruf Grafiker hatte ein Signet geschaffen, das in leicht abgeänderter Form bis heute Bestand hat.
Die nächste Reorganisation veränderte den Gloggi 1964 stark. Die bisherige Abteilung wurde zum Korps umgestaltet, das in Abteilungen unterteilt war. Die bisherigen Stämme wurden nun zu Abteilungen mit den gleichen Namen, auch Wolfsmeuten und Roverrotten gehörten jetzt zu diesen Abteilungen, die alle ein eigenes Abzeichen hatten. Von aussen war die Zugehörigkeit zum Gloggi nur noch an den Gloggi-Socken erkennbar. Diese neue Organisation hat auch in Gruppenbüchern Spuren als «grosser Tag» hinterlassen, hier bei der Gruppe Voss aus dem Totila:
Diskussionen hatte im Vorfeld ausgelöst, ob die Seepfadi eine eigene Abteilung sein sollten und ob wohl alle Abteilungen lebensfähig sein würden oder ob man besser nur vier oder fünf Abteilungen gründen solle. Die Aufteilung in sechs Abteilungen bewährte sich aber lange Jahre.
Eine erste Änderung ergab sich, als der Salander sich ganz auf das Wehntal konzentierte und sich schliesslich 1981 mit der Mädchenabteilung Hochwacht zu Salander-Hochwacht und bald darauf 1982 zur Abteilung Lägern zusammenschloss. Im GP wurde damals folgendermassen über das Gründungsweekend berichtet:
Etwas mehr als ein Jahr später wurde dann auch im Raum Volketswil und Schwerzenbach eine neue Abteilung gegründet. Die Pfadfinderinnenabteilung Mistral schloss sich am Chlausweekend mit den Gryfensee-Einheiten in dieser Region zur Abteilung Wildert, benannt nach einem schönen Waldteich, zusammen. In der Chronik wurde das so vermerkt:
Stark schrumpfende Mitgliederzahlen führten dann 1995 zu einem Zusammenschluss von Hadlaub und Manesse unter dem Namen Hadlaub. 2004 trat die Abteilung Manegg, die für eine eigene Region zu klein geworden war in den Gloggi ein, mit dem sie eine jahrzehntelange gute Zusammenarbeit verband. Die Pfadfinderinnenabteilung Manegg war bereits 1925 gegründet worden, auf der Burgruine beim Uetliberg, deren Namen sie trägt.
2007 wurde die Abteilung Hutten aufgelöst, ihr Name wurde noch einige Jahre von den «Pfadi trotz allem» als Abteilung PTA Hutten weitergetragen – heute nennt sich diese kleinste Gloggi-Abteilung wieder «PTA Gloggi» und blickt auf eine Geschichte zurück, die 1946 begann.
Die beiden jüngsten Abteilungen im Gloggi sind also gleichzeitig die beiden, die ihren Namen schon am längsten tragen.
Beim Durchblättern der GP der letzten
Jahre fällt mir ein Bericht über ein Pfingstlager auf, das 2014 mit dem Thema
«Catch the Hipster» stattfand. Auch von Masters of Hardcore, einem Wald-Starbucks
und angreifenden Ninjas wird erzählt. Da hätten frühere Pfadigenerationen wohl
nur «Bahnhof» verstanden.
Welche Einkleidungen wurden für die
verschiedenen Anlässe und Lager in früheren Jahrzehnten gewählt?
In der Ideensammlung der Pfadibewegung Schweiz werden 773 Ideen von A wie «Abenteuer der starken Wanja» bis Z wie «Zwerge» aufgelistet. Vieles ist zeitlos und wurde durch all die Jahrzehnte der Gloggi-Geschichte immer wieder gewählt. Schatzsuchen, Wilder Westen, Römer, Zirkus, Eidgenossen, Ritter und Raubritter, Völkertreffen, Polarexpeditionen, Spione, Gauner, Gespenster und bei den Wölfen natürlich der Dschungel tauchen in Programmen und Erlebnisberichten regelmässig auf. Hier eine Zirkusaufführung aus dem Jahr 1937:
Andere Einkleidungen waren stärker von der Zeit, in der der Anlass stattfand, abhängig. In den 1930er-und 1940er-Jahren wurde in der Pfadistufe häufig gar keine Einkleidung gewählt, im Vordergrund stand der persönliche Fortschritt, vor allem das Weiterkommen in der Pfaditechnik und die «Bildung des Charakters». So wurden an den «Übungen» z.B. Kartenlesen, Morsen oder Erste Hilfe geübt.
Auf das «Übungsprogramm» folgte nach dem Anlass immer auch ein vom Venner verfasster «Übungsrapport». Der Zugsführer fügte dem jeweils einen Kommentar bei. Hier verglich er die Indianereinkleidung mit einer «Kleinkinderschule» und mahnte, dass vor allem die Charaktererziehung wichtig sei:
An solchen «Übungen» machte man oft Kleingruppen, die dasselbe lernen sollten, z.B. die «P-Kandidaten», also diejenigen Pfadi, die bald die Pfadfinderprüfung ablegen wollten. Manchmal bot sich eine Einkleidung an, wie hier «Fliegerunfall im Sagentobel»:
Geländespiele wurden «Kriegspiele»
genannt und auch in tatsächliches Kriegsgeschehen eingekleidet, wie hier in den
finnisch-russischen Winterkrieg 1939/40:
Der zweite Weltkrieg beschäftigte die Pfadi natürlich stark, was auch Auswirkungen auf die Wahl der Einkleidungen hatte. In den Gruppenbüchern werden Kriegsspiele realistisch wiedergegebenen und auch von «Sondermeldungen» werden nachgespielt:
Das Weltgeschehen diente auch nach dem zweiten Weltkrieg für Einkleidungen, z.B. die Konflikte vor der Gründung des Staates Israels.
In
den 1950er-Jahren finden sich auch wieder stärker fantasiebetonte
Einkleidungen, wie der «Bärenkönig»
Auch Radrennen wie die Tour de Suisse waren während den Zeiten Ferdy Küblers und danach lange eine beliebte Einkleidung.
Afrika mit den Gründungen neuer Staaten nach der Kolonialisation war um 1960 ein Thema, die Pfadi spielten Entwicklungshelfer in Gabun und Dahomey. (Schwarze wurden damals in der deutschen Sprache neutral als «Neger» bezeichnet, der Begriff diente auch als Pfadiname. Zum Begriff vgl. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus)
Der Kalte Krieg wurde ebenfalls für Einkleidungen genutzt. Kundschaften auf dem Flughafen Kloten wurden z.B. im Auftrag einer «russischen Atomkommission» vorgenommen.
Thema waren auch die Ölfelder, um die in dieser Einkleidung Europäer und Araber kämpften:
Rund um die Mondlandung 1969 waren Raumfahrer, Astronauten, Space usw. beliebte Themen:
Auch Roboter wurden, wie hier an einem Georgstag zum Thema.
Das Kontrastprogramm dazu waren die Hippies. Flower Power hatte schon auf dem Titel des GP 1970 Spuren hinterlassen
und Hippie-Lager waren auch später beliebt – ebenso wie friedliche Lager in einer eigenen Welt «this is our world, this is our place».
Die 1980er-Jahre brachten viele Einkleidungen, die sich rund um das Thema «Phantasie» drehten, ein Lagerthema war z.B. «Mir sind Phantasier»
Aber auch das Tagesgeschehen floss weiterhin in den Pfadibetrieb ein. Zum Teil wurden Forscherweekends durchgeführt – gegessen hat man dann natürlich wie bei Laborversuchen nur mit Gummihandschuhen. In einer anderen Einkleidung trafen Wurstgierige auf Vegetarier:
Ende der 1990er-Jahren wurden Interviews zur Affäre von Bill Clinton und zu Natels durchgeführt:
Auch Themen wie Radioaktivität wurden aufgenommen, ein Pfadistamm machte sich im Sommerlager auf die Suche nach radioaktivem Material:
Um 2000 drehte sich vieles wieder um Kreativität, z.B. in «Kreativistenweekends» (die dritte Stufe der Abteilung Hutten nannte sich auch so):
Danach findet man Einkleidungen wie «Casting-Shows» und eben «Catch the Hipster» neben Themen wie Zirkus, die durch all die Jahrzehnte immer wieder vorkommen.
Das Gloggi-Archiv hat eine grosse Anzahl Rudel-, Gruppen-, Meute- und Stammbücher. Sie berichten vom Alltag in der jeweiligen Zeit und ermöglichen, dass wir uns auch heute noch ein Bild machen können, wie Pfadi vor Jahrzehnten ausgesehen hat. Hier Ausschnitte aus dem Zugsbuch Rotach und dem Rudelbuch Möve aus der Zeit um 1940.
Dem Motto «Jeden Tag eine gute Tag» wurde nachgelebt, hier als die Wolfsmeute für das Altersheim (Altersasyl zum Wäldli) singt:
Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges waren dann «Kriegsspiele» sehr verbreitet, es scheint dabei häufig recht ruppig zugegangen sein.
Das Soldatische kommt in den Büchern immer wieder vor:
Gerne wurden auch militärische Wettkämpfe nachgespielt, wie hier die «Brigadewettkämpfe» in Arosa:
Zum Alltag gehörte damals auch
die «Anbauschlacht». In der Schweiz wurden alle zur Verfügung stehenden Flächen
zur Nahrungsmittelproduktion genutzt. Zwei Führerinnen berichten von einem
Wolfsführerinnentreffen in Bern, während dem sie auch auf den Münsterturm stiegen.
Pinsel und ich stiegen in Bern noch auf den Münsterturm. Und neben der tollen Aussicht sahen vor noch etwas glattes: Tomaten auf dem Münsterturm. Sogar da oben wird Anbau-geschlachtet. Alle Achtung!
Pferde
gehörten zum alltäglichen Strassenbild. In dieser Zeichnung macht sich ein Wolf
darüber lustig, dass sein Kollege sich vor einem Ross fürchtete:
De Hecht het Angscht vor em Ross……
Auch
auf der Quaibrücke ist neben dem Tram ganz selbstverständlich ein Pferd zu
sehen. Die Winter waren kälter, 1940 trieben Eisschollen in der Limmat:
Ein Wolf berichtet, wie das Rudel «Möve» beim Bellevue eine Eisplatte sah, die
die Limmat hinunterschwamm. Sie stiess an ein Badehaus und konnte nicht mehr weiter. Wir wären am liebsten auf die Eisplatte gesprungen, aber Susi hat es uns verboten.
Die
Bahn hatte noch drei Klassen, wie ein eingeklebtes Billett dritter Klasse von
Zürich-Enge nach Wädenswil zeigt.
Der Lebensmittelverein
Zürich war noch nicht der Coop, aber die Verkäuferinnen waren schon damals
nicht begeistert über Gaunerübungen in ihrem Laden.
Im
Rudelbuch wird beschrieben, dass die Wölfe Diebe in einen Laden verfolgten:
«Sie
rannten in einen Laden und wir ihnen nach. Im Laden jagten uns die Leute fort».
Pünktlichkeit
war wichtig, das Zuspätkommen einzelner wird immer wieder thematisiert. Hier
beim Antreten des ganzen «Graustammes» im Albisgüetli, das zwei Wölfe zu ihrem
Schrecken verpassten, weil ihr Tram zu spät ankam.
Oder
in einem Lager, als eine «Schlafmütze» zu spät aufstand.
Falls man mal an einer Übung fehlen musste, hatte man sich schriftlich zu entschuldigen
Die Führerin bemerkt im Zugsbuch auch, dass eine solche Entschuldigung natürlich nicht gehe, eine Entschuldigung müsse folgendermassen aussehen:
Viel heute Alltägliches war noch nicht selbstverständlich. Eine Fahrt mit einem Lift konnte noch ein Abenteuer sein, über das im Rudelbuch berichtet wurde.
Hygiene ist ab und zu ein Thema, hier wird spasseshalber von Läusen im Zötteler geschrieben:
Badewannen waren noch nicht verbreitet.
Zu lesen ist von einer Übung, während der sich das ganze Wolfsrudel bei der «Rudelführerin» traf, um auf der Dachzinne zu spielen. Zum Abschluss fand dann eine Taufe in ihrer Badewanne statt: Der Täufling musste einen Löffel mit dem Mund aus dem Wasser fischen und erhielt danach seinen Namen.
Und trotz Rationierung (und wohl auch weil das Essen in Zeiten der Rationierung nicht einfach selbstverständlich war) wurde ein Nachmittag häufig mit einem feinen Zvieri abgeschlossen: