Bahren in der Pfadi

Vor 25 Jahren wurde die Archivgruppe gegründet. Wir feierten das Jubiläum mit einem Posten am Gloggi-Tag. Dort erzählte der Gloggi-Geist unter anderem davon, wie die Pfadi früher mit Bahren Verletzte rasend schnell über Stock und Stein transportiert hätten. Die Pfadi bauten am Posten selbst eine Bahre und rannten mit einem «Verletzten» über einen Parcours. Das sah dann nicht genau so aus, wie vor 80 Jahren auf der Allmend Brunau, aber doch so ähnlich:

Gruppenbuch Leopard/ Wiking 1953-1958

Aber wie kamen die Bahren in die Pfadi? Und rannte man mit Verletzten wirklich durch die Gegend? Das muss sie ja ganz schön durchgeschüttelt haben. Gruppenbücher und andere Unterlagen im Gloggi-Archiv geben Auskunft:

Der Gründer der Pfadi, Bi-Pi be­schrieb 1908 in seinem ersten Buch für Pfadi, «Scouting for Boys», dass Pfadi um «allzeit bereit» zu sein, natürlich auch in Erster Hilfe ausgebildet sein müssten. (Text und Bilder der ursprünglichen Ausgabe von 1908 sind im Projekt Gutenberg verfügbar). Er machte gerade ein Beispiel von sich selbst und zeichnete, wie er behandelt worden war, als er sich in Indien die Schulter ausgerenkt hatte. In diesem Buch gab er auch Anleitungen für den Bahrenbau.

Bi-Pis Schulter wird in Indien wieder eingerenkt (aus Scouting for Boys, 1908)

Verwundetentransporte mit Bahren wurden bald so etwas wie ein Markenzeichen der Pfadi. Als der CVJM 1913 Werbung für die Pfadi mach­te, erschien in seiner Zeitschrift «Die Glocke» auch ein Bild von Pfadi, die Verwundete trans­por­tieren (links).

„Die Glocke“, 1913 und Chocolat Tobler, 1928

Pfadi beim Verwun­deten­trans­port sieht man auch auf den Sammel­marken (damals so eine Art Panini-Bilder) der Schoggifabrik Tobler in den 1920er-Jahren (rechts).

Das Fixieren von gebro­chenen Knochen und der Transport von Verletzten bis zur nächsten Strasse wurden regelmässig geübt. Auch bei Wettkämpfen mussten die Gruppen Bahren bauen und «Verwundete» möglichst schnell transportieren.

Dass Bahren manchmal gebraucht wurden, zeigt ein Gruppenbuch der „Hunnen“ von 1932. Bei einem Pfadiskirennen war auch eine Schanze eingebaut worden, neben der zwei Pfadi für den Fall der Fälle mit einer Bahre warteten. Zeichnungen in Gruppenbüchern zeigen, dass sich die Pfadi beim Üben auch gut amüsierten

Skilagerbuch „Hunnen“ 1932/33

Gruppenbuch Voss 1936/37

Meistens brauchte man ja die erworbenen Kenntnisse zum Glück nicht, es waren eher Blasen an den Füssen behandeln

Oder je nachdem musste auch einmal ein blaues Auge behandelt werden. In Gruppenbüchern ist auch von Übelkeit, die in Herbstlagern herrschte und Kranken mit Fieber zu lesen.

Gruppenbuch Voss 1936/37

Irgendwann verselbständigten sich dann die Wettbewerbe, welche Gruppe wohl am besten in Erster Hilfe sei. Man rannte nicht nur mit Bahren um die Wette, sondern liess die «Verwundeten» auch selbst rennen, führte «Samariterstafetten» durch. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir in den 1960er-Jahren mit einem eingeschienten Bein und einem fixierten Arm Hindernisläufe absolvierten.

Samariterstafette 1942

Dass die zu Übungswecken auf den Bahren Transportierten manchmal abstiegen, wenn sie zu sehr durchgerüttelt wurden, ist in einem Zugsbuch der Manegg von 1964 beschrieben:

«Schliesslich wurde ich auf eine Bahre gelegt und solange geschüttelt und gerüttelt, bis ich erklärte, dass ich lieber heim laufe, statt getragen zu werden» beschreibt eine Pfadi hier.

Bahrenbau und -transporte wurden lange in den verschiedenen Auflagen der Pfaditechnik beschrieben und in die Hefte für die verschiedenen Prüfungen eingetragen.

Unterdessen ist der Bau von Tragbahren aus der Pfaditechnik verschwunden – und man macht vermutlich auch keine Wettrennen mit Bahren mehr. Aber Spass hat’s gemacht, beides am Gloggi-Tag nochmals aufleben zu lassen.

1938: Bundeslager in Zürich

1938 fand das Bundeslager auf dem Adlisberg in Zürich statt, gleich neben dem Dolder in unmittelbarer Stadtnähe. Es war das dritte Bundeslager, das der schweizerische Pfadibund organisierte. Erklärtes Ziel des Bula 1938 war, die «Gewinnung der öffentlichen Meinung des ganzen Landes» für die Pfadibewegung. Es sollte der ganzen Schweiz klar werden, dass die Pfadibewegung eine wichtige, patriotische, sportliche Bewegung mit hohen Idealen war.
Um dieses Ziel zu erreichen wurde in den Turnhallen am Pfauen auch eine grosse Pfadiausstellung durchgeführt.

Der Gloggi, als wichtige Zürcher Abteilung, wollte im Lager einen möglichst guten Eindruck hinterlassen. Dazu gehörte eine gute Vorbereitung, aber auch etwas Druck. Wer ohne wichtigen Grund nicht am Lager teilnahm, wurde kurzerhand für drei Monate vom Pfadibetrieb ausgeschlossen. Diese Bestimmung der Abteilungsleitung sorgte allerdings für ziemlich Diskussionen im Elternrat, der vor einem solchen weitreichenden Entscheid gerne begrüsst worden wäre.

Gleichzeitig begann man schon früh, für die verschiedenen Wettkämpfe zu trainieren, es würde Leichtathletikwettekämpfe, Schwimmen, einen «Fähnlilauf» mit Pfaditechnik und eine Handballmeisterschaft geben.

Die Zürcher Pfadi als Gastgeber waren im Vorlager sehr gefordert, besonders stolz waren die Gloggi-Pfadi auf den von ihrem Stamm «Wulp» errichteten Aussichtsturm. Nachdem alles bereit war und der Gloggi im strömenden Regen am Sonntag schon seine Zelte aufgeschlagen hatte, war es ab Montag dann bestes Lagerwetter und 7000 Pfadi aus der ganzen Schweiz stellten kantonsweise ihre Zelte auf

Die Öffentlichkeit nahm regen Anteil am Bundeslager, das täglich bis 20 Uhr für Besuchende geöffnet war. Die Dolderbahn war immer voll ausgelastet.

Einzelne Programmbestandteile waren auch Teil der «geistigen Landesverteidigung». So beteiligte sich aus jeder Einheit ein Venner am Eröffnungstag an der Kranzniederlegung am Wehrmännerdenkmal auf der Forch – eine Zeremonie, die auf die Beteiligten grossen Eindruck machte.

Es wurden viele Ausflüge gemacht, in die Stadt und bis zum Sihlsee und an den Rheinfall. Die Gloggi-Pfadi am Lagerausgang hatten eine nicht einfache Aufgabe, als sie aufpassen mussten, dass ohne Pfadihut niemand das Lager verliess.

Beim Lagerbau hatte der Gloggi auf ein traditionelles Lagertor gesetzt, in die Zürcher Illustrierte brachte es dann allerdings das Flamberg-Schwert und auch die Berner Patria-Spinne wurde weitherum beachtet.

Dafür besiegte die Gloggi-Mannschaft den Flamberg im Handball schon im Halbfinal und wurde im Final gegen das Stadtkorps Schweizer Pfadimeister. Auch am Fähnlilauf, einem Wettkampf der Pfadigruppen, schnitten die 27 Gruppen aus dem Gloggi sehr gut ab, in der Abteilungsrangliste gewannen sie. Hier eine Gloggigruppe am Posten «Hindernislauf»:

Damit sich die teilnehmenden Gruppen nicht gegenseitig erzählten, was an den Posten verlangt wurde, wanderten sie nach dem Postenlauf direkt auf den Flugplatz Dübendorf, wo sie eine Führung mitmachen durften. (Bild ETH e-pics)

Als eindrücklicher Höhepunkt des Lagers wird in vielen Gruppenbüchern und Zeitungsartikeln die Erstaugustfeier beschrieben. In einer Zeit, in der Schweiz bedroht war, war das grosse Lagerfeuer auf der Dolder-Eisbahn mit vielen Fackeln und einer Rede von Bundesrat Minger ein wichtiges Symbol des nationalen Zusammenstehens.

***

Der Tages-Anzeiger hat auf seinem Fotoblog Impressionen aus dem Bula 1938 zusammengestellt:

***

Memoriav, das das audiovisuelle Gedächtnis der Schweiz sammelt und präsentiert, hat auf seinem Portal «Memobase» eine schöne Zusammenstellung all der vergangenen Bundeslager und ganz allgemein von Radio- und TV-Beiträgen zur Pfadibewegung gemacht.

https://memobase.ch/de/vitrine/allzeit-bereit-eine-audiovisuelle-spurensuche-der-pfadibewegung-schweiz

Die Bläsimühle als Gloggiheim

(Zur Bläsimühle vor dem Gloggi, beachte diesen Blogbeitrag)

Zu Beginn der 1970er-Jahre findet sich in Stadtnähe immer weniger für den Pfadibetrieb geeignete Natur. Zudem erwartet man, dass die Schule bald die Fünftagewoche einführen wird.

Der Gloggi will darum vermehrt auf Wochenendbetrieb setzen. Es wird eine «Aktion Forsthütten» gestartet, der Gloggi mietet für den Wochenendbetrieb Fortshütten an. Zudem sucht er aber dringend ein drittes Pfadiheim.

Am 3. April 1973 setzt die Generalversammlung des Heimvereins eine Heimbaumkommission ein. Der Vizepräsident des Heimvereins, Pieps, ackert sich durch Inserate. Ein zunächst vielversprechendes Projekt in Egg kommt nicht zu Stande

«Frau Pieps», Vreni Wyss beginnt zu telefonieren «em Tüüfel es Ohr ab», wie sie schreibt.

Nach Telefonen mit über 60 Immobilien­firmen wird sie fündig.

Bei einer ersten Besichtigung präsentiert sich die Bläsimühle als zum Teil renovationsbedürftig, für ein Pfadiheim aber ideal. Es hat viel Platz, der Mühleraum ist für Schlechtwetteraktivitäten ideal und die Umgebung für den Pfadibetrieb perfekt.

15. Aug. 1973Der Vorvertrag mit den Gebrüdern Frei wird unterzeichnet.
28. Aug. 1973Eine ausserdordentliche GV des Heimvereins beschliesst einstimmig den Kauf.
19. Sept. 1973 Der Korpsführerrat und eine Woche später der Korpsrat stimmen ebenfalls zu.
Ende Sept.Der Heimverein kauft die Bläsimühle vorerst mit Fremdkapital.
Es beginnen Finanzaktionen und der Umbau, an dem die Aktiven unzählige Stunden beteiligt sind.

Obwohl danach noch über ein Jahr weitergebaut wird, folgt die Einweihung am 15./16. Juni 1974

Die Bläsimühle wird ab 1974 eifrig benutzt für Ausbildungskurse, Weekends, Lager, Abteilungsfeste.

Auch für Klassenlager eigent sich das Heim ausgezeichnet. Es wird von allen Stufen rege genutzt. Die Schulklassen interviewen auch die Familie Frei und graben auf der Gemeinde alte Akten aus.

Das Alter der Bläsimühle, die intensive Nutzung und neue Ansprüche z.B. an die sanitären Anlagen, machen weitere Umbauetappen nötig:

1984 Dach und Waschraum werden saniert (Etappe I)
1989Im Schopf werden verfaulte Balken und Sparren ersetzt (II)
1991Verbesserung des Raumklimas (III)
1992wird bereits die Ausbauetappe IV abgeschlossen. Auch Fassade und Fenster sind saniert.
1993 Zum 20 Jahr-Jubiläum erstrahlt die Bläsimühle «in neuem Glanz»
Rösli Frei amtet seit 20 Jahren als Verwalterin und hat 82’000 Übernachtungen erlebt
Pieps tritt aus dem Heimvereinsvorstand zurück und erhält zum Abschied ein Bläsimühlemodell, um es in seine Modelleisenbahnanlage einzubauen
1994bringt dann ein Kaminbrand die Bläsimühle ernsthaft in Gefahr.
Einige Räume müssen für zwei Monate gesperrt und renoviert werden.
Zürcher Oberländer, 28. Februar 1994

Viel schlimmer kommt es dann im September 2001, als der ganze Dachstock ausbrennt und ein sehr hoher Sachschaden entsteht.

Zum Glück kann die Bläsimühle gerettet werden.

Nach einem grossen Küchenumbau kann Heimgötti Telex 2009 im GP schreiben: «D Bläsimühli isch fit».

Durch all die Jahre ist sie aus dem Gloggi nicht wegzudenken.

Und jetzt, 50 Jahre nachdem der Gloggi die Bläsimühle kaufen konnte, macht sich der Zahn der Zeit wieder bemerkbar, verschiedenste Renovierungsarbeiten stehen bevor. All die Generationen von Pfadi, denen die Bläsimühle in den letzten 50 Jahren ein Stück Heimat geworden ist, werden den Heimverein sicher dabei unterstützen, sei es finanziell, sei es durch Mitarbeit.

Die Bläsimühle vor dem Gloggi

Im Juni 2022 trafen sich der Heimverein und der APV in der Bläsimühle zu ihren Generalversammlungen, dieses Jahr gekoppelt mit dem APV-Grill, einer schönen Gelegenheit, viele Ehemalige wiederzusehen. Für die Archivgruppe war das auch Gelegenheit, auf einigen Plakaten die Geschichte der Bläsimühle darzustellen. Hier eine Zusammenfassung in zwei Blogbeiträgen:

Teilnehmer:innen der Generalversammlung im Müliraum

Die Bläsimühle vor dem Gloggi

https://maps.zh.ch/lubis?gyger=1&x=14344.19&y=20011.44&zoom=5&rotation=0

1467Die Bläsimüli wird im Steuerrodel der Stadt Zürich erstmals erwähnt.
Der Name könnte von einer um 1370 genannten Kapelle, die dem heiligen Blasius geweiht war, stammen. Möglich ist auch, dass die Mühle einem Blasius gehörte.
1648 
Es besteht vermutlich bereits eine Sägerei neben der Mühle. Die Gemeinde bezahlt dem Bläsimüller einen Sagerlohn.
1655Ulrich Müller (verheiratet mit Barbara Frei) kauft die Bläsimühle.
1660Er baut ein neues Wohnhaus mit Mühle.
Die Bläsimühle wird als «Kundenmühle» betrieben, Bauern bringen ihre Ernten zum Mahlen in die Mühle. Sie ist für die Verarbeitung von Hafer zu Mehl bekannt.
1804sind der Bläsimühle neben der Sägerei auch zwei Wein­schenken angegliedert.
1812
Die Bläsimühle verfügt auch noch über eine Nebenmühle , eine «Knochenstampfi». Knochenmehl ist ein wichtiges Düngemittel.
1816
Die verheerende Hungersnot 1816/1817 wirkt sich auf die Mühlen aus. Sie haben viel weniger zu mahlen und sind Ziel von Bettelzügen, teilweise auch von Raubüberfällen und Morden.
.«…die Menschen wehklagten und welkten dahin in Hunger und Krankheit. Scharenweise strömten die Bettler herbei; ihre blassen, erdfalben, aufgedunsenen Gesichter, die angeschwollenen Füsse, der matte Gang, o, wie war dies ein Bild des Jammers und entsetzlicher Not»
Jakob Stutz aus der benachbarten Mühle Balchenstahl bei Hittnau (Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben, Frauenfeld: Huber 1983, S. 284f.)
Dass die grosse Klimaveränderung («Das Jahr ohne Sommer») auf den Ausbruch des Vulkans Tambora im heutigen Indonesien zurückzuführen ist, weiss man erst viele Jahrzehnte später.
1840Die Mühle durch zwei oberschächtige Wasserräder betrieben.
oberschächtiges Wasserrad
(in der Bläsimühle befand sich das Rad in einem Wasserradkasten)
1843Erbauung der grossen Mühlenscheune, die für den Landwirtschaftsbetrieb genutzt wird
1845/47


In diesen Jahren herrscht wegen Missernten (Kartoffelkrankheit) grosse Teuerung, die Mechanisierung der Weberei führt zu Verdienstausfällen und Armut. Andere Gemeinden betreiben Suppenküchen, Russikon ist es möglich, «mittelst wöchentlicher Austheilung von Mehl in der Bläsimühle der Noth zu steuern». Vogel: Memorabilia Tigurina, 1853, S. 422
1848/49Der Kanton baut die Strasse III. Klasse von Fehraltorf über Russikon nach Wildberg, er beschäftigt dazu hauptsächlich verdienstlose Arbeiter.
Müller Jakob Kägi führt einen Umbau von Wohnhaus und Mühle durch. Mit den Veränderungen von
1862entsteht ein stattlicher langgestreckter Bau unter einem Satteldach. Die Bläsimühle nimmt in etwa die heutige Form an.
Zustand nach 1862 (Zeichnung verwendet auf dem Titelblatt GP 1973)
1869 Der Nachlass von Müller Jakob Schellenberg muss konkursamtlich verwaltet werden. Die Bläsimühle wird zum Verkauf ausgeschrieben.
Volkszeitung für das Zürcher Oberland, Dezember 1869
1872 Heinrich Frei kauft Wohn- und Mühlengebäude, Sägerei und Wasserradhaus, die grosse Scheune, Acker-, Wiesland und Wald.

(https://maps.zh.ch/ Wildkarte 1850 und Siegfriedkarte 1880)

Das Gebiet der Bläsimühle wird ab Mitte 19. Jahrhundert zum eigentlichen Industriegebiet.

Die Wasserkraft wird mit Wasserrädern und Turbinen rege genutzt. Das Wasser wird in Kanälen von einer Nutzungsstelle zu anderen geführt und in Weihern gespeichert.

Neben Mühle und Sägerei der Bläsimühle sind hier die «obere Bläsimühle» bzw. «Neubläsimühle», eine relativ kleine Spinnerei mit 1600 Spindeln und eine Teppichweberei angesiedelt.

Eine Schulklasse hat in den 1980er-Jahren in ihrem Klassenlager das damalige Kanalsystem sehr genau nachgezeichnet (siehe unten). Unklar ist einzig, wo bzw. in welchem Haus die Spinnerei von Heinrich Schneider stand, sie ist auf der Wildkarte und in den «Mittheilungen aus den Akten der zürcherischen Fabrikkommission» von 1858 erwähnt.

Die ebenfalls hier angesiedelte Zündholzfabrik der Gebrüder Hürlimann mit ihren «Mühlrad»-Zündhölzern ist weitherum bekannt. (Bilder: Hans Keller: Chronik der Gemeinde Russikon, 1998)

1890 wird der Wirtschaftsbetrieb (d.h. die Weinschenke) eingestellt.
1933 Die Mühle wird stillgelegt, Wasserrad und Wasserradkasten werden 1943 abgebrochen.
Der Landwirtschaftsbetrieb wird weitergeführt.
1972 Weil die Landwirtschaft jetzt vom nahen Bauernhof «Mühlenhof» aus betrieben wird, stehen Bläsimühle und Scheunen zum Verkauf. Der Kanton stellt die Scheune, die abgebrochen werden soll, unter Schutz.
1973erfolgt der Verkauf der Bläsimühle durch die Familie Frei an den Heimverein
Kanalsystem (Klassenlagerbericht o.J.)

Bis 1933 bringen Bauern ihr Korn zum Mahlen in die Bläsimühle. Das Mahlen kann man sich mit Hilfe einer Zeichnung der Schulklasse, die nach Interviews mit der Familie Frei entstand und einer Fotografie des Mühleraums vor dem Umbau ungefähr vorstellen:

Mahlen in der Bläsimühle (Zeichnung einer Schulklasse, o.J.)

Zusammengestellt mit einem Artikel von Hans Keller im Mitteilungsblatt der Gemeinde Russikon vom September 1992 (Staatsarchiv Zürich Dc R 32.1g) und der Chronik der Gemeinde Russikon von 1998.

Und hier der Blogbeitrag zur Bläsimühle als Gloggiheim.

Pfingsten vor 60 Jahren

Seit 1954 bin ich im Gloggi. Zuerst bei den Normannen, dann in den Roverrotten «Leif Erikson» und «Waräger». Heute bin ich Ruheständler im APV.

1962 war ich Mitglied der Rotte «Leif Erikson» und der ganze Gloggi war männlich, bis auf die Wolfsführerinnen. Wir beschlossen den Pfadis unseres Zuges Normannen an diesen Pfingsten ein positives Bild der Roverei zu vermitteln, um später Nachzug zu erhalten, denn bei uns war drum einiges los. Wir waren zwar im Hölloch, gingen aber in den Sommernächten bräteln und besassen ein selbst in Stand gestelltes Rottenauto, u.s.w., nicht gerade pfaderisch, dafür sehr roverisch. Am Pfingstmontag wollten wir bei ihrem Lagerplatz an der Thur mit einem selbst gebauten Floss landen.

Bauen und Testen des Flosses

So traf sich die Hälfte von uns am Samstagmorgen in Witikon. Die andere Hälfte kutschierte im Laufe des Nachmittags mit den Zelten und dem Baumaterial zum Rover-Lagerplatz in Gütighausen an der Thur (oberhalb Andelfingen) und errichteten das Lager. Wir vier marschierten von Witikon über Dübendorf-Dietlikon-Nürensdorf-Pfungen und Humlikon nach Andelfingen Zur Route ist zu bemerken, dass es im ganzen Kanton Zürich noch keine einzige Autobahn gab. In Andelfingen wurden wir mit dem Rottenauto, «Hillman Super- Minx Cabriolet, Jg. 1951» abgeholt und zum Lagerplatz chauffiert. Am Sonntag bauten wir unser Floss aus Dachlatten, Lastwagenschläuchen und Stricken zusammen.

Los geht’s

Am Montag testeten die einen das Floss, während wir vier Flussfahrer unsere Rucksäcke packten. Zur Steuerung unseres Gefährts wurden noch schnell 4 Ruder zusammengenagelt. Dann wurde verladen, die Fahne gehisst und los gings auf dem Rücken der Thur in zügigem Tempo Richtung Andelfingen.

Wir passierten die Brücken der Lokalstrassen und die Eisenbahnbrücke. Nach der Weinlandbrücke landeten wir beim Pfadi-Lagerplatz und wurden dort mit Hallo empfangen. Natürlich waren wir die «Sibesieche».

Besuch bei den Pfadi

Weiter ging es auf der Thur und unterhalb Ellikon auf den Buckel von Vater Rhein, bis jetzt immer in zügigem Tempo bis nach der Rüdlinger Brücke. Ab dort wurden wir immer langsamer. Der Stau des Eglisauer-Kraftwerks verlangsamte die Strömung. Ab der Tössegg trieben wir noch mit weniger als 1.5 kmh und es wurde immer heisser.

2 Stunden später landeten wir hungrig und durstig am Ziel in Eglisau etwa 500 Meter oberhalb der Schifflände und dort wohne ich jetzt 28 Jahren.

Der Rest unseres Pfingsterlebnisses wäre rasch erzählt, aber ich lasse es bei dieser persönlichen Pointe.

Armin Günter v/o Chäfer

Züritüütsch, english und so….

Instagram meldet, es seien neue Fotos geteilt worden. Ich freue mich über die Fotos und Texte. Dass sie in einem munteren Sprachmix aus Züritüütsch, Deutsch und Englisch geschrieben sind, fällt mir gar nicht besonders auf. Auch dass meist nur klein geschrieben wird, ist selbstverständlich: hammer location here wird aus dem Sommerlager berichtet und chlausivibes kommen aus dem Chlaus­weekend, und wenn von der Gloggiparty berichtet wird, schreibt man vo däre phänomenale fete.

Posts auf Instagram

Aber wie war das eigentlich in den Vor-Social-Media-Zeiten? Beim Durchblättern alter GPs bin ich erstaunt:

Englisch war im GP schon seit den Anfängen der Zeitschrift 1930 zu lesen. I hope the Golden Arrow will keep moving schrieb Bi-Pi in der zweiten Nummer. Immer wieder waren ganze Artikel in Englisch geschrieben. Die damalige Redaktion wollte die Internationalität der Pfadibewegung hervorheben. Man schrieb über The rover movement in Switzerland und ein Artikel über our troop erzählte die ersten zwanzig Jahre Gloggi-Geschichte. Es war den Leitern ein Anliegen, dass auch andere Pfadis weltweit lesen konnten, wie man in der Schweiz Pfadi machte, die Zugehörigkeit zur «weltweiten Brüderschaft» sollte betont werden.

Signet, unter dem im GP jeweils Meldungen über die Pfadibewegung in der ganzen Welt erschienen

Noch viel häufiger als englischsprachige Artikel waren aber Artikel in Französisch zu lesen. Seitenlang berichten Pfadis aus Paris über ihre Aktivitäten.

Neben der Internationalität wurde aber auch der nationale Zusammenhalt in der Pfadibewegung stark betont. Immer wieder wurden Briefe aus der Romandie abgedruckt. Chèrs amis éclaireurs du Glockenhof, voici une lettre écrite par un de vos camarades lausannois. Aus dem Tessin wurden ricordi scout in italienischer Sprache geteilt.

Auch konsequente Kleinschreibung ist im GP der 1930er Jahre sehr häufig. Sogar der Abteilungsleiter schrieb seinen Leitartikel klein und ein Artikel über den Bau eines Klappsteges begann 1930 so:

(GP 2 / 1930)

«Warum gross schreiben, wenn man nicht gross sprechen kann?» war damals die Devise. In verschiedenen Jugendbewegungen, so auch im Gloggi wurde die konsequente Kleinschreibung ausprobiert, aber auch die Stadtverwaltung von Biel schrieb z.B. 1934 ein halbes Jahr alles klein. (vgl. Wikipedia: Kleinschreibung)

Aber Zürichdeutsch wurde damals nicht geschrieben? Weit gefehlt. Im Dialekt verfasste Artikel waren häufig und 1934 erschien ein gan­zer GP ausschliesslich in «Züridüütsch»: Lönd i eue Dialäkt nüd neh. Es isch bim Gugger die höchst Ziit, das mer wieder echli meh reded wie-n-is- da Schnabel gwachse-n-isch war da zu lesen. Im Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland war die Verwendung des Dialekts auch ein Beitrag zur geistigen Lan­desverteidigung. Sogar der Goldene Pfeil hiess jetzt De goldig Pfil.

Züritüütsch, Englisch (aber auch Französich und Italienisch) und Kleinschreibung: Das hatten wir also alles vor 90 Jahren schon. Der Unterschied liegt wohl darin, dass damals mit der Schreibweise immer ein Ziel verfolgt wurde. Man wollte die Internationalität der Pfadi, den Zusammenhalt der Pfadi in der Schweiz über die Sprachgrenzen hinweg betonen, sich mit dem Dialekt vom Deutschen abgrenzen oder sich mit Kleinschreibung für eine einfachere, modernere Rechtschreibung einsetzen. Heute nutzen wir all die sprachlichen Möglichkeiten kreativ, einfach aus Freude daran.

Happy birthday, Gryfensee!

GRY-Abzeichen

Die Abteilung Gryfensee feiert dieses Jahr 90 plus 1 Jahre Pfadi in Wallisellen und bald danach auch in Dübendorf. Ein Grund, herzlich zu gratulieren und ein paar GP-Schlagzeilen und Aktenstücke aus den ersten Jahren auszugraben:
1924 hatten erste Walliseller den Weg zu den Gloggi-Pfadi gefunden und bald wurde die Gruppe «Bison» zur reinen Walliseller Gruppe. (Der Bison hielt seine Traditionen hoch, vom 50-Jahr-Jubiläum der Gruppe bewahren wir im Archiv noch ein T-Shirt mit den eingestickten Namen aller Leiter von 1946 bis 1990 auf.)

1930 wurde dann der Walliseller «Halbzug Wiking-Wallisellen» gegründet und im Dezember 1930 schliesslich der Olymp.

Bevor es aber soweit war, brauchte der vorgesehene neue Zug natürlich Pfadis. Der Gloggi entschloss sich, im Herbst 1930 eine «Propagandaübung» in Wallisellen durchzuführen.


Die ganze Abteilung marschierte von der Allmend Fluntern nach Wallisellen. Man hatte sich nicht lumpen lassen, ein Piccolo-Korps und ein Trommler begleiteten die Pfadi auf ihrem Marsch via Stettbach nach Wallisellen, sie trugen eine Schweizer und eine ungarische Fahne (wohl, weil dort wenige Wochen zuvor ein Auslandlager stattgefunden hatte) mit sich. Am Dorfeingang standen die Walliseller Pfadi (sehr viele waren es noch nicht) Spalier und gemeinsam ging es hinauf zum Tambel, in die Gegend, in der heute das Pfadiheim steht. Dort zeigten die einzelnen Züge den interessierten Walliseller Knaben Zeltbau, Kochen, Brotbacken, Signalisieren und Verwundetentransporte. «Die Walliseller Sprösslinge erscheinen nicht sehr zahlreich» musste der Berichterstatter im GP allerdings notieren.


Man liess aber nicht locker. In Wallisellen war ein Gemeindestubenverein gegründet worden, ein Verein, der eine Art Dorftreff einrichtete und der auch «edle Unterhaltung» organisieren wollte.

… und edle Unterhaltung und Geselligkeit: Zweck der Gemeindestuben (NZZ, 20.11.1929)

Der Gemeindestubenverein wollte alle Volkskreise ansprechen und lud 1930 auch die Pfadi ein, am Unterhaltungsabend mitzumachen. Sie ergriffen die Gelegenheit und probten das Stück «Dä Tälleschuss» ein. Bei einer Probe stellten Mitglieder des Gemeindestubenvereins aber fest, dieses Stück sei viel zu grob und unfein und komme nicht in Frage. Den Pfadi gefiel das Stück aber, sie wollten das vom Gemeindestubenverein gesuchte «anständige Stück» nicht aufführen, es sei «von Moral triefend, die Personen von Wohlanständigkeit und Bravheit überfliessend». Man einigte sich schliesslich, die Worte «Chäib» und «verdammt» nicht zu gebrauchen, sondern «Chog» und «choge» zu sagen. Der «Tälleschuss» durfte nun aufgeführt werden und der Erfolg sei grossartig gewesen. In Zukunft führte der am 6. Dezember dann gegründete Zug Olymp regelmässig Theaterstücke an den Gemeinde­stubenabenden auf.

Auch für die Wölfe und in Dübendorf wurde die Werbetrommel nun stark gerührt, es wurden weitere «Propaganda­übungen», und Elternabende mit Film­vorführungen und Vorträgen veranstaltet und lokale Geschäfte liessen ihr Schaufenster von den Pfadi gestalten, damit sie Werbung für sich machen konnten. Der Gloggi half mit, in dem er immer wieder Anlässe wie Wolfstage und Olympiaden in Wallisellen durchführte und so den Pfadibetrieb sichtbar machte.

Allerdings gab es auch Schwierigkeiten, im Protokollbuch der Eltenkommission ist 1932 davon zu lesen, dass «die besondere Lage in diesem Vorort» diese Schwierigkeiten hervorgerufen habe.

Gemeint waren wohl einerseits, dass viele Knaben am Samstagnachmittag zu Hause helfen mussten und es darum schwierig war, eine genügend grosse Anzahl Mitglieder, die regelmässig bei den Wölfen und Pfadi mitmachten, zu finden. In der Stadt war man aber allgemein dem Pfadibetrieb auf dem Land gegenüber skeptisch. 1933 führte der Stadtverband eine „Inspektion“ des Olymp durch und war zufrieden: auf technischem Gebiet hatten die Walliseller und Dübendorfer Pfadi sehr gut abgeschnitten, wie ebenfalls im Protokollbuch der Elternkommission zu lesen ist:

In zwei Bereichen leistete der Olymp mit seinem Wolfsstamm, der später Dufour getauft wurde, für den Gloggi Pionierarbeit. 1936 beschloss die Elternversammlung des Olymp, mit Hilfe der ganzen Abteilung ein Pfadiheim zu bauen – was dann nach dem 2. Weltkrieg verwirklicht werden konnte und den Gloggi eng mit Wallisellen verband.


Schon 1934 traten die ersten Leiterinnen (damals hiessen sie Wolfsführerinnen), Balu und Diana in die Walliseller Meute ein. Bei heftigem Regenguss gaben sie in der Silvesternacht am Lagerfeuer jedem Wolf die Hand und begrüssten alle mit «Mis Bescht». «Die ersten Führerinnen der Wolfsmeute Wallisellen und der Abteilung Glockenhof, welch ein denkwürdiges Datum, der 31. Dezember 1934» stand im GP.

Der Olymp und seine Wölfe und Wolfsführerinnen 1935

So ganz ernst nahm man die Pfadi in Wallisellen und Dübendorf in Zürich nicht immer. Im GP ist manchmal von «Gwagglisellen» die Rede, und die Ausdrücke «Filiale» und «Provinz» waren selbstverständlich. Man liess diese Provinz aber gewähren, als sie, mal ausprobieren wollte, ob die Wölfe auch von Mädchen geführt werden konnten.

Drei Jahre später begann man dann auch in Zürich, die Wölfe Mädchen und jungen Frauen anzuvertrauen. Wolfsführerinnen bewährten sich bestens und waren sehr schnell gegenüber den Wolfsführern in der grossen Überzahl, auch wenn man nicht immer genügend von ihnen fand. «Dabei ist es ganz klar, dass es überall genügend Schwestern, Cousinen und ähnliche Bekannte gibt, die sich als Wolfsführerinnen eignen würden» schrieb der Abteilungsleiter 1944.

Wölfe und „Wolfsführerin“: Bald überall ein vertrautes Bild (Rudelbuch Amsel 1940er-Jahre)

Nur in Wallisellen und Dübendorf verschwanden die Wolfsführerinnen bis in die 1960er-Jahre wieder.

GP 1941

Waldweihnacht

Mit diesen beiden Fotos wünschen wir allen ganz schöne Weihnachten und alles Gute fürs 2021 – hoffen wir auf ein besseres Pfadijahr!

Waldweihnacht Wulp 1970
Waldweihnacht Wildert 2002

Der Virus von 1918

«Pfadi dihei», «CoronAufbau mit Masken», abgesagte und dezentralisierte Anlässe: Die Corona-Pandemie zwang 2020 auch zu grossen Veränderungen im Pfadibetrieb. Doch wie war das eigentlich bei der letzten grossen Pandemie, der «spanischen Grippe» 1918? Diese massive Grippewelle, hatte ihren Ursprung nicht in Spanien (dort wurde lediglich offen darüber berichtet) sondern wohl in den USA, in Kansas. Sie forderte weltweit zwischen 27 und 50 Millionen oder noch mehr Todesopfer, mehr als der damals zu Ende gehende 1. Weltkrieg. Die Schweiz hatte 25’000 Grippetote zu beklagen, fast jede zweite Person in der Schweiz erkrankte an dieser Grippe, hart traf es vor allem 20- bis 40-jährige.

Die erste Welle im Frühsommer 1918 hatte einige Einschränkungen für die Pfadi in Zürich zur Folge, Grossanlässe wie die «Pfadfinder-Lands­gemeinde» wurden verschoben, «Social Distancing» galt schon damals als wirksam.

Bericht der NZZ über die vom Juli auf den September verschobene schweizerische „Pfadfinder-Landsgemeinde“ in Regensdorf

Eine Grippeimpfung existierte nicht, lindernde Medikamente gab es kaum, entsprechend wurde viel Merkwürdiges angeboten wie dieser Heim­schwitzapparat:

Inserat in der Schweizerischen Lehrerzeitung, 1918

Zum Teil wurde auch Rauchen und Alkohol empfohlen, um der Grippe den Garaus zu machen oder Gurgelmittel.

Inserat in der Schweizerischen Lehrerzeitung, 1918

Im Oktober und November, gleichzeitig mit dem Landesstreik und der Angst vor einer Revolution, die eine Truppenstationierung in Zürich zur Folge hatte, explodierte die Zahl der Erkrankungen förmlich. Der Bericht des Stadtrates von damals zeigt, dass allein in der Stadt fast 40’000 Personen erkrankten:

Geschäftsbericht des Stadtrates 1919 (Stadtarchiv)

In dieser Situation wurden die Schulen geschlossen, viele Schulhäuser und z.B. auch die Tonhalle wurden zu Notspitälern umfunktioniert. Das damalige Protokollbuch des «Feldmeister­konventes» des Gloggi ist in unserem Archiv erhalten. Aus den Absenzenlisten ist ersichtlich, dass auch viele Führer, wie man damals sagte, wegen Grippe abwesend waren. Der Pfadibetrieb (hier der Oberpfadi-Kurs O’Pf.) wurde aber weitergeführt und andererseits hatten viele Pfadi «Hilfsdienst» zu leisten. Sie wurden von der Frauenzentrale und der Pflegerinnenschule, die die Arbeiten koordinierten, eingesetzt.

Auszug Protokoll Feldmeisterkonvent 15. Okt. 1918

Der damals 16-jährigen Pfadi Eduard Seiler (er war wohl nicht im Gloggi) hat damals ein Tagebuch geschrieben, das 2008 und 2009 auszugsweise veröffentlicht wurde. Hier der 2008 erschienende Beitrag aus dem Tages-Anzeiger:

Die zweite Veröffentlichung findet sich in einem Buch über das „Soldatenleben im 1. Weltkrieg“: Otto Wicki/ Anton Kaufmann/ Erwin Dahinden: Oh wär ich doch ein Schweizer, Schüpfheim 2019.

Aus diesem Tagebuch wissen wir, dass diese Hilfsdienste sehr hart waren: Eduard Seiler berichtet, wie die Pfadi einerseits eingesetzt wurden, um Betten und andere Utensilien wie Spucknäpfe und Urinflaschen mit Velos und Anhängern in die Lazarette zu transportieren und dort aufzustellen. Sie wurden auch für Botengänge eingesetzt, wenn Patienten z.B. dringen Sauerstoff brauchten. Er berichtet von einem Soldaten, der grässliche Atemnot hatte: «Oft mussten wir in die Apotheken springen um schnell wieder eine neue Sauerstoffbombe für den langsam erstickenden Aregger zu holen. Etwas so Entsetzliches habe ich nie gesehen.» Eduard Seiler beschreibt das Sterben des Soldaten, er schreibt auch von berührenden Besuchen von Angehörigen, die ihre Lieben bis in den Tod pflegten.

Dass die Patienten nicht isoliert werden konnten, zeigt dieses Bild aus der Tonhalle, die in ein Lazarett umgewandelt worden war:

Bild: Archiv Schweizer Verband Volksdienst – Soldatenwohl

Den Landesstreik und das Truppenaufgebot schildert Eduard Seiler ebenfalls und versucht sich einen Reim daraus zu machen: «Heute trugen alle Stahlhelme, wahrscheinlich erwartete man Strassenkämpfe. Die Regierung musste wichtige Dokumente über das Wühlen der Bolschewiki in den Händen haben, dass sie sich zu solch einem grossen Aufgebot entschloss. Die ganze Stadt war voll mit Militär und besonders viele Maschinengewehre wurden bereitgestellt. Gestern zogen Tausende vor die Kaserne und forderten den Militärminister Regierungsrat Wettstein heraus».

Der Rationierungsbrunnen an der Trottenstrasse in Zürich erinnert an die damalige Teuerung, die den Streik mit auslöste. 1914 erhielt man für einen Franken z.B. 20 Kilo Kohle, 1918 dann nur noch 3 ½ Kilo.

(Bild W. Gallas, Baugeschichtliches Archiv Zürich)

Der Landesstreik hat keine Spuren im Gloggi-Archiv hinterlassen. Im Protokollbuch ist aber festgehalten, wo überall Gloggi-Pfadi eingesetzt wurden:

Auszug Protokoll Feldmeisterkonvent vom 19. Nov. 1918

Das von der Frauenzentrale geführtes Notspital im Schulhaus Münchhalden galt als eigentliches Vorzeigenotspital, es wird in Berichten immer wieder erwähnt, vermutlich weil das nun umgenutzte Schulhaus noch sehr neu war. Man sieht es auf dem Luftbild von Mittelholzer (1920) unten rechts, gerade darunter den Tunnel zwischen Tiefenbrunnen und Stadelhofen.

Vorne rechts Schulhaus Münchhalde und Eisenbahntunnel (Bild Mittelholzer, ETH e-pics)

Auch ausserhalb der Notspitäler war man mit der Arbeit der Pfadi zufrieden. Die Frauenzentrale schreibt in ihrem Jahresbericht von einer sehr grossen Arbeit:

Aus dem Jahresbericht der Zürcher Frauenzentrale 1918/19

Das Engagement der Zürcher Pfadfinder wurde auch von der Presse gewürdigt, auf dem Bild der Helferinnen und Helfer im Tonhalle-Lazarett, das damals in der Schweizer Illustrierten erschien, sind die Pfadi im Vordergrund deutlich sichtbar:

Bild aus der Schweizer Illustrierten 1918 (abgebildet in Wicki 2009)

Für die Pfadi von damals war ihr «Hilfsdienst» während der Pandemie von 1918 ein prägendes Erlebnis, viele haben sich das ganze Leben daran erinnert. Eduard Seiler ist später Arzt geworden.

Vom Ursprung der Abteilungen

Die Abteilungen spielen heute im Gloggi eine wichtige Rolle. Man gehört zum Hadlaub, zum Gryfensee, zur Lägern und wie sie alle heissen. Wie und wann sind sie eigentlich entstanden und wie kamen sie zu ihren Namen?

Bis 1941, als der Gloggi ziemlich stark am Wachsen war, war man einfach Mitglied im Gloggi, der «Pfadfinderabteilung Glockenhof» und in einem «Pfadizug», der «Wolfsmeute» oder dem «Roverbanner».

1941, der Gloggi zählte damals 800 Mitglieder, wurde dann eine Um­organisation vorgenom­men, die Pfadizüge wur­den auf vier «Stämme» aufgeteilt, den Vor­gängern der heutigen Abteilungen: Auf dem GP-Titelblatt von 1947 sind in der Windrose die Stäm­me (mit den römischen Zahlen) abgebildet, dazwischen die 1946 gegründeten PTA, der APV, das Roverbanner und die Wolfsmeute.

GP-Titelblatt 1947 mit den vier Stämmen und ihren Pfadizügen. I: Stamm: Attila, Normannen, Olymp, Wiking, II. Stamm: Friesen, Korinth, Sparta, Totila, III. Stamm: Bubenberg, Kim, Waldmann, Wulp, IV. Stamm: Inka, Mandach, Orion, Tell. Dazwischen Richtung Nordost: PTA, Südost: APV, Südwest: Roverbanner und Nordwest: Wolfsmeute

Die PTA («Pfadi trotz allem») sind heute eine eigene Gloggi-Abteilung. Ihre Anfänge im Balgrist wurden im GP 1947 folgendermassen geschildert:

Beschreibung einer PTA-Übung im GP 1947

Aus den vier Stämmen wurden 1950 fünf, die Züge Olymp und Dübelstein aus Wallisellen und Dübendorf bildeten nun den fünften Stamm.

1953 erhielten die Stämme Namen:

„Zu den so dargestellten Leuten gehören an einem Endchen auch wir noch; darum passen die Namen zu uns. (GP 1953)

Hadlaub und Gryfensee tragen also ihre Namen seit 1953. Johannes Hadlaub und der Landvogt von Greifensee, die Namensgeber kommen in Gottfried Kellers Zürcher Novellen vor, auch die anderen Namen stammen aus Werken von Gottfried Keller oder Conrad Ferdinand Meyer. Wichtig war damals, Namen zu finden mit einem Bezug zu Zürich, deren Träger Vorbildcharakter hatten. Im GP wurden damals auch Ausschnitte aus Werken von Keller und Meyer abgedruckt. Wenn man sie heute so liest, denkt man eher, nimmt man eigentlich nicht an, dass sie zur Identifikation mit den neuen Namen beitrugen…

Unterdessen waren 1958, angeregt von einem Pfadi, der auf einer Seemanns­schule in England gewesen war, die «Seepfad­finder» gegründet worden, ihr Zug «Odysseus» war nicht Teil eines Stam­mes. Rechts das erste Titelbild der Seepfadi-Zeitschrift «Akto».


1959 wurde das Gloggi-Abzeichen eingeführt, Tatokano, von Beruf Grafiker hatte ein Signet geschaffen, das in leicht abgeänderter Form bis heute Bestand hat.

Die nächste Reorganisation veränderte den Gloggi 1964 stark. Die bisherige Abteilung wurde zum Korps umgestaltet, das in Abtei­lungen unterteilt war. Die bisherigen Stämme wur­den nun zu Abteilungen mit den gleichen Namen, auch Wolfsmeuten und Roverrotten gehörten jetzt zu diesen Abteilungen, die alle ein eigenes Abzeichen hatten. Von aussen war die Zugehörigkeit zum Gloggi nur noch an den Gloggi-Socken erkennbar. Diese neue Organisation hat auch in Gruppenbüchern Spuren als «grosser Tag» hinterlassen, hier bei der Gruppe Voss aus dem Totila:

„Am 17. Dezember 1964 wurde die Abteilung Glockhof offiziell zum Cor ernannt.“
Auszug aus dem Gruppenbuch der Gruppe Voss (Totila)

Diskussionen hatte im Vorfeld ausgelöst, ob die Seepfadi eine eigene Abteilung sein sollten und ob wohl alle Abteilungen lebensfähig sein würden oder ob man besser nur vier oder fünf Abteilungen gründen solle. Die Aufteilung in sechs Abteilungen bewährte sich aber lange Jahre.

Die Abzeichen der sechs ursprünglichen Abteilungen:
Manesse, Hutten, Hadlaub, Salander, Gryfensee, Seepfadfind
er

Eine erste Änderung ergab sich, als der Salander sich ganz auf das Wehntal konzentierte und sich schliesslich 1981 mit der Mädchen­abteilung Hochwacht zu Salander-Hochwacht und bald darauf 1982 zur Abteilung Lägern zusammenschloss. Im GP wurde damals folgendermassen über das Gründungsweekend berichtet:

Gründung der Abteilung Lägern (GP 1982)

Etwas mehr als ein Jahr später wurde dann auch im Raum Volketswil und Schwerzenbach eine neue Abteilung gegründet. Die Pfadfin­derinnen­abteilung Mistral schloss sich am Chlausweekend mit den Gryfensee-Einheiten in dieser Region zur Abteilung Wildert, benannt nach einem schönen Waldteich, zusammen. In der Chronik wurde das so vermerkt:

Gründung der Abteilung Wildert (Chronik 1983)

Stark schrumpfende Mitgliederzahlen führten dann 1995 zu einem Zusammenschluss von Hadlaub und Manesse unter dem Namen Hadlaub. 2004 trat die Abteilung Manegg, die für eine eigene Region zu klein geworden war in den Gloggi ein, mit dem sie eine jahr­zehnte­lange gute Zusammenarbeit verband.  Die Pfadfinderinnen­abteilung Manegg war bereits 1925 gegründet worden, auf der Burgruine beim Uetliberg, deren Namen sie trägt.

Protokollauszug zur Aufnahme der Abteilung Manegg in den Bund Schweizerischer Pfadfinderinnen 1926
Ankündigung der „Integration der Abteilung Manegg“ in den Gloggi (GP 2004)

2007 wurde die Abteilung Hutten aufgelöst, ihr Name wurde noch einige Jahre von den «Pfadi trotz allem» als Abteilung PTA Hutten weitergetragen – heute nennt sich diese kleinste Gloggi-Abteilung wieder «PTA Gloggi» und blickt auf eine Geschichte zurück, die 1946 begann.

Die beiden jüngsten Abteilungen im Gloggi sind also gleichzeitig die beiden, die ihren Namen schon am längsten tragen.